20.01.2008
Seit meine Frau und ich unsere Partnervermittlung eröffnet haben, habe ich mit vielen seltsamen Leuten zu tun. Meistens sind es Frauen mit unrealistischen Erwartungen, die niemals heiraten werden, auch wenn sie keine Mängel oder Krankheiten aufweisen. Einige haben einfach keinen Ort, um jemanden zu treffen, sie arbeiten zu hart und haben keine Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen. Einige hoffen auf diese Weise ihre finanziellen Probleme zu lösen, andere... aber darum soll es im folgendem nicht handeln. Es geht auch nicht um die Frauen die zu uns kommen oder uns schreiben. Es geht um einen Mann.

Ja, auch Männer nutzen unsere Dienste. Es ist genauso schwierig für sie, einen geeigneten Partner zu finden der ihre Kriterien erfüllt, wie für die weibliche Hälfte. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sich Menschen in die unpassendsten Personen verlieben, die die sie immer wieder ablehnen werden. Und er träumt immer wieder von diesen Menschen. Es ist ein unerklärliches Phänomen.

Wir haben aber auch positive Ergebnisse hervorgebracht, auf die wir als seriöses Unternehmen besonders stolz sind. Menschen, die sich durch unsere Plattform kennenlernen, heiraten und Kinder bekommen. In vielen Fällen, nahm nicht nur eine Geschichte eine glückliche Wendung. Insgesamt lief alles gut und alle waren glücklich. Es wäre unfair, nicht zu sagen, dass es einige unglückliche Fälle gegeben hat. Aber ich erinnere mich nicht so gerne an sie. Wir wurden zum Beispiel vor Gericht bestellt, weil er später von einer Frau belästigt wurde, die er durch uns kennengelernt hat, oder es gab einen Fall, der unglücklichste von allen, in dem eine Frau von der Straße entführt wurde.

Die Sache ist, man kann nicht voraussehen, ob etwas schief geht. Normalerweise wollen wir keine Probleme und versuchen, im Allgemeinen, unglückliche Situationen zu vermeiden. Aber Geld ist Geld. Wenn wir alle Leute ablehnen, die zweifelhafte Antworten auf unsere Tests geben, würde dies bedeuten, dass uns die Kunden ausgingen. Menschen sind schließlich Menschen, sie sind nicht perfekt. Wenn Sie etwas extravaganter sind, heißt das nicht unbedingt, dass Sie ein Mörder, ein Vergewaltiger oder ähnliches sind.

Aber bei diesem Kerl war es einfach zu viel. Er ging zur Tür herein, wie jeder andere Kunde, das war das einzig normale, was er tat. Ich rief meine Frau an, damit Sie an dem Treffen teilnimmt.

Linda, meine Frau, ist Psychologin und hilft mir dabei, schwierigere Fälle zu lösen. Normalerweise klopft sie mir auf den Rücken und lacht mich aus. "Mein Lieber", sagt sie, "wenn alle Verrückten von der Straße eingefangen würden, wären überhaupt keine Menschen mehr auf der Straße. Sie ist nur eine gewöhnliche Frau, keine Sorge." Ja, es geht normalerweise um Frauen. Frauen haben manchmal seltsame Wünsche und Ansprüche, die sie ausführlich beschreiben, manchmal sogar mit peinlichen Details. Männer haben einfache und auf den Punkt gebrachte Dinge: kochen, sich für die Familie interessieren, Kinder wollen. Alles, was ein Mann will, damit er sein Leben unabhängig weiterleben kann, ohne sich um seine täglichen Probleme kümmern zu müssen. Alles einfach.

Aber bei diesem Typ war es anders. Er saß vor mir, lächelte mich an und sah mir mit einschüchternder Vertrautheit direkt in die Augen. Sein Blick war viel zu persönlich.
"Entschuldigung", sagte ich, "... kennen wir uns von irgendwoher?"

Er lachte, lehnte sich zurück. Er hob die Hände, um sie über den Kopf zu kreuzen. Er hatte seinen Hinterkopf gepackt und lachte. Dann sagte er:
"Ja. Nein. In gewisser Weise."

Das hat mich direkt dazu gebracht, ihn nicht zu mögen.
"Mein Name ist Gabriel Man", sagte ich, stand auf und streckte meine Hand aus.
"Entschuldigung", sagte er, stand auf und packte meine Hand mit seinen großen Händen.

Seine Geste schien genauso übertrieben zu sein wie seine ganze Haltung mir gegenüber. Seine Hände waren sehr warm und beschützend, meine Abneigung wurde sofort vernichtet. Ich fing an ihn blöd anzugrinsen. Er hielt immer noch meine Hand, als wollte er mich erwärmen.
"Wo sind meine Manieren", fügte er hinzu. "Aber die Wahrheit ist, ich war schon lange nicht mehr draußen unterwegs. Ich denke, meine Fähigkeit, mit Menschen zu interagieren, ist verkümmert."

Aber zurück zur Sache! Genau das brauchten wir noch, einen Kunden, der seine Frau im Keller einsperrt, und uns somit durch einen jahrelangen Gerichtsprozess zieht, bis wir schlussendlich unser letztes Hemd auszuziehen müssen, um die Strafe bezahlen zu können.

Dann nahm ich den Hörer ab und als Linda antwortete, bat ich sie mit einem Lächeln im Gesicht, uns Kaffee zu bringen. Dies war unser Code dafür, dass wir einen Verrückten im Büro haben und dass er unverzüglich bewertet werden muss, um festzustellen, wie gefährlich er wirklich ist. Normalerweise wird der Kaffee von meiner Sekretärin Ana, einer Verwandten meiner Frau, gebracht. Natürlich kommt der Mann heutzutage nicht einmal direkt zu uns, sondern beantwortet nur einen langen Fragebogen im Internet und zahlt online. Wir wissen nicht einmal, ob er ehrlich geantwortet hat oder ob das Bild, das er veröffentlicht, sein ist. Aber so ist es im Internet und jeder sollte verstehen, dass er Risiken eingeht. Aber einige kommen persönlich zu uns. Sie sprechen lieber von Angesicht zu Angesicht mit jemandem. Wir lassen sie nicht wieder gehen, ohne davor festgestellt zu haben, wer sie wirklich sind.

Linda nahm sich einen Stuhl, stellte ihn zu uns und begann lächelnd, dem Mann einigen Fragen zu stellen. Sie schrieb, ohne dass etwas auf ihrem Gesicht gelesen werden konnte. Der Trick eines Profis.
"Also Name und Alter, bitte."

Er lachte wieder herzlich wie jeder offene und fröhliche Mann. Auch wenn er gesagt hat, er habe sich lange nicht mehr mit Menschen befasst, konnte man das nicht glauben. Und schlimmer noch, trotz seines Auftretens als gersammelte, kommunikative und bodenständige Person fuhr er mit schockierender Aussagen fort:
"Ich bin Gott, Alter: unbekannt."

Linda blinzelte nicht einmal. Nur ich zappelte in meinen Stuhl. Ich hielt eine Hand vor meinen Mund, um meinen Gesichtsausdruck teilweise zu verbergen. Und als ich so da saß und mich auf meinen Ellbogen stützte, begann ich ihn nach anderen Anzeichen von Wahnsinn, aufmerksam abzusuchen. Aber er trug keine nicht passenden Socken, er hatte keine Urinflecken auf seiner Hose, seine Schuhe waren poliert, sie sahen aus wie teure Lederschuhe, er hatte sogar einen perfekten Haarschnitt. Seine Zähne?! Makellos.

Linda ging seine Aussage durch, als hätte er nichts Ungewöhnliches gesagt. Als ob Menschen, die sich selbst zu Gott, Napoleon oder der Reinkarnation des Buddha erklären, jeden Tag zu uns kommen und wir sie mit offenen Armen empfangen, damit wir sie dann Julia, Mona Lisa oder Marie Antoinette vorstellen können. Sie wusste mit solchen Persönlichkeiten umzugehen, das ist ihre Aufgabe. Sie versteht sie, sie weiß, wie man mit ihnen kommuniziert. Sie versteht Dinge, die für mich unverständlich sind, und ich habe sie oft sagen hören, wie sympathisch ein einzelnes Individuum war und ihn gerne zum Abendessen in unser Haus einladen würde. Immer wenn ich den Vorschlag aggressiv ablehne, teil sie mir mit, dass Menschen nur ein wenig Liebe und Akzeptanz brauchen, um wieder gesund zu werden. Sie behauptet, dass sie nur verrückt sind, weil sie sich sehr allein und isoliert fühlen. Ich bin andere Meinung. Aber sie hat das studiert, und ich nicht. Wir ungebildeten Menschen wollen jeden Narren rausschmeißen, der behauptet, Gott zu sein.
"Ehrlich?!", fragte ich, ohne mich enthalten zu können. "Ich habe geglaubt dass Gott nicht existiert und er nur ein von Menschen erschaffenes Weltbild darstellen soll."
"Wie kann es keinen Gott geben?!", antwortete er. "Siehst du mich etwa nicht?!"

Sein Lachen war ansteckend. Plötzlich fing nicht nur ich, sondern auch Linda an zu lachen, obwohl sie dazu verpflichtet ist keine persönliche Eindrucke zu hinterlassen, ihre persönlichen Meinungen nicht zu äußern und bei Patienten keine anerkennenden oder missbilligenden Reaktionen zu zeigen. Sie sollten sich weder ermutigt noch entmutigt fühlen. Und doch begann sie von ganzem Herzen zu lachen und ihn mit Sympathie und Zustimmung anzusehen.
"Was erwarten Sie von einer Frau?!", fragte sie weiter.
"Ohhh. Was erwarte ich?!... Sie muss eine Jungfrau sein."
"Jungfrau", wiederholte Linda. "Und wie alt?"
"Das Alter spielt keine Rolle, solange sie Jungfrau ist. Sie sollte noch in der Lage sein Kinder zu bekommen."
"Also wünschen Sie sich eine Familie und Kinder."
"Nicht so sehr Familie wie Kinder. Ich wünsche mir ein Kind, um genau zu sein."
"Waren Sie schon mal verheiratet, haben Sie Kinder?"
"Ich war noch nie verheiratet, aber ich hatte einen Sohn. Er ist gestorben."
"Ooooh...", sagte Linda tief bewegt. "Es tut mir wirklich leid."
"Eh, so ist das Leben. Es ist sowieso schon lange her. Jetzt ist es Zeit, ein neues zu bekommen. Wir verstehen uns nicht einmal sehr gut. Er behauptet, er hat keine Wahlfreiheit gehabt, und dass ich zu viel Druck auf ihn ausübe. Ich hätte ihn anscheinend für meine Arbeit geopfert."
"Aber Sie haben doch gesagt, er sei gestorben", sagte ich genervt.
"So einfach ist das nicht", sagte er mir. "Die Wahrheit ist nicht immer so wie sie scheint."

Sein Lachen erfüllte erneut den Raum. Und der Höhepunkt war, dass ich trotz des Unsinns, den er von sich gab, ein sehr angenehmes Gefühl in seiner Gegenwart hatte. Sein Gesicht strahlte guten Willen und gutmenschlichkeit aus. Sein äußeres Erscheinungsbild war eine Falle, er hat dich in die Irre geführt, er hat dich auf seltsame Weise bezaubert.
"Hör Sie mir zu, ich möchte nicht, dass Sie sich persönlich angegriffen fühlen, aber wenn Sie wirklich Gott sind, brauchen Sie unsere Dienste nicht. Gott ruft keine Vermittlungsagenturen an. Lesen Sie die Bibel! Und wenn Sie nicht Gott sind und immer noch behaupten es zu sein, können wir Sie nicht annehmen. Ich hoffe Sie sind mir nicht böse, es ist nicht persönlich gemeint, ich will Sie nicht beleidigen."
"Ich bin nicht beleidigt und ich bin hier, ich wende mich an eine Heiratsagentur. Und ich bin es, Gott! Heutzutage sind die Dinge sehr kompliziert, es ist nicht so wie in der Vergangenheit. Jetzt gibt es so viele Menschen. So viele dass ich nicht auf jeden einzelnen aufpassen kann. Ich kann nicht jeden einzelnen überwachen und die Dinge in der heutigen Gesellschaft regulieren. Ich muss nicht immer hinter jedem stehen, die Menschen sind unabhängigen denn je. Es gibt nicht mehr viel für mich zu tun. Ich bin nur ein Symbol."
"Glauben Sie das was Sie sagen wirklich selber?" fragte ich sarkastisch.
"Ja, ich glaube fest an das was ich sage."
"Lass uns dem Mann ein paar Mädchen vorstellen", unterbrach Linda und zog das Gesicht eines mürrischen kleinen Mädchens an.

Ich drehte mich wütend zu ihr um. Sie spielte mit seiner gefalteten Akte. Sie hatte sie in Form eines Flugzeugs gefaltet. Was zur Hölle war los mit ihr?!
"Was!?", fragte sie mich mürrisch. "Jeder Mann braucht Liebe!"
"Kein Mann!", korrigierte sie der Verrückte und legte eine Hand auf ihren Arm.

Und Linda lächelte verliebt. Ich mochte es nicht, wenn er meine Frau anfasste. Ihre Hand zog sich nicht zurück, sie machte keine Geste, um zu zeigen, dass es ihr unangenehm war. An jenem Arm den er berührte, fehlten an der Hand meiner Frau zwei Finger, ihr Zeigefinger und ihr Ringfinger.
"Hören Sie", sagte der Mann zu mir, "... ich verstehe Ihre Zurückhaltung. Es zeugt schließlich von einem gesunden Menschenverstand. Sie denken, ich sei verrückt und dass ich Ihr Geschäft in eine Katastrophe führen werde, aber ich bin hier mit gutem Willen und ich kann sie entsprechend belohnen. Ich bin sehr reich. Die ganze Welt ist mein Eigentum. Normalerweise mache ich so was nicht, aber hören sie. Zeig mit deinem Finger auf etwas und es soll dir gehören. Das ist mein voller ernst."
Und so suchte ich dem Willen meiner Frau untergeordnet nach einer Jungfrau für den Verrückten.

Ich habe nur akzeptiert, weil Linda darauf bestanden hat. Und er musste mir versprechen, dass er niemanden ersticht, dass er keiner sadomasochistischen Phantasien hat und dass er niemanden in einem Keller einsperrt. Er lachte herzlich über all meine Ansprüche. Er lachte so heftig, dass sogar meine Sekretärin, die nicht mal in unserem Gespräch eingeweiht war, die Tür halb öffnete und anfing mit zu lachen.

Bei seinem nächsten Besuch, fragte mich ein Nachbar erstaunt, was George Clooney in meinem Büro suchte. Und ich fragte ihn erstaunt: "Wer?!". Als ich verstand, über wen er sprach, hob ich meine Hand zu der sich wegbewegenden Figur und wollte sagen: "Ach, nein, das ist nur Gott!". Aber ich hörte rechtzeitig auf.

Linda und ich haben keinen Fernseher, wir essen kein Fleisch und wir beteiligen uns nur in geringem Maße an dem heutigen Konsumfieber. Ich trage seit Jahren die gleichen T-Shirts, die gleichen Hosen, und wenn ich mich entspannen möchte, rauche ich einen Joint und das war's. Ich lese ein Buch, ich finde andere Freuden. Linda auch. Sie macht Yoga, kocht zu Hause mit ihren Freundinnen. Wir kaufen nur bei Bio und verwenden keine Gesichtscremes. Doch sieht sie für ihre Fünfziger außergewöhnlich gut aus. Aktiv, jung, immer präsent. Die Ähnlichkeit dieses Mannes mit dem Hollywoodstar wurde uns von unsere Sekretärin erklärt. Sie war diejenige, die uns erzählte, dass er diesem uns unbekannten Schauspieler sehr ähnlich sah, und sie brachte uns sogar eine Zeitschrift mit Fotos.

Wir beide gehen manchmal ins Theater, bekommen vergünstigte Tickets und schauen uns die Show immer im Stehen an. Aber das sind Dinge, die nichts mit Hollywood zu tun haben. Es sind Dinge, die wichtig sind, die die Wahrheit sagen. Es sind diese Dinge die einen Unterschied machen. Wir waren also nicht begeistert. Aber auch wenn das passiert, kann man nicht daran ändern dass manche Leute aussehen wie andere.
"Du bist eine Frau mit den Füßen auf dem Boden, du weißt sehr gut, dass es keinen Gott gibt!"
"Ich weiß! Ich habe keine Ahnung, was mit mir passiert ist. Es war so komisch... Es war wie..., ich weiß nicht..."
"Was sollen wir jetzt tun?"
"Ich habe keine Ahnung."
"Halten wir unser Versprechen?"
"Wir halten unser Versprechen."

In den nächsten Tagen kam sie mit einem Vorschlag. Sie hieß Soraya. Sie war zwanzig Jahre alt. Ich arrangierte das Treffen mit Unbehagen. Keiner von uns wusste was daraus wird, und wie sehr wir uns für ihn schämen würden.

Das Treffen war vorerst sehr angenehm.

Es fand in ihrer Wohnung statt, einem angenehm, schlicht eingerichteten Ort. Soraya war ein schönes, sehr respektvolles Mädchen aus einer türkischen Familie. Ihre anwesenden Eltern waren sehr anständige Leute. Sie fragten, ob Gott türkisch oder zumindest muslimisch sei. Wir hatten keine Zeit zu antworten, weil Gott, den ich als George vorstellte, wieder anfing zu lachen. Sofort stimmten mit ein. Soraya sah ihn schüchtern an. Der Typ sah echt gut aus. Aber weil die Frage unbeantwortet blieb, wurde mir klar, dass es von nun an nicht mehr gut laufen kann. Wir alle bedienten uns von den Süßigkeiten der gastfreundlichen Eltern, und das Gespräch ging weiter. Gott unterbrach die Unterhaltung irgendwann und sagte:
"Ich habe keine Religion."

Dann wurde es schlimmer.

Der Vater des Mädchens fragte ihn, wie er sich eine Ehe ohne Religion vorstelle. Gott antwortete, dass es ihm nicht mal im Traum einfallen würde, zu heiraten. Sie alle fingen an, die Stirn zu runzeln. Er sagte, er wolle nur noch einen Sohn haben, sein Job würde es ihm nicht erlauben, in einer Beziehung zu sein. Dann fragte der Vater: Wollen Sie ein Kind haben, nicht heiraten und auch überhaupt nicht an der Erziehung des Kindes teilnehmen? Er antwortete mit: "Ja".
"Würden Sie sich bitte von meiner Tochter fernhalten?!", rief der drohende Mann.

Sein Gesicht wurde rot und wir alle verstanden, dass wir gehen mussten.

Auf dem Heimweg ärgerte ich mich über die Demütigung, der ich ausgesetzt worden war. Schließlich ist diese Heiratsagentur die einzige Quelle des Lebensunterhalts, die wir neben Lindas schlecht bezahlten Job im Gefängnis haben. Bis zum heutigen Tag haben wir noch nie solch eine Katastrophe erlebt.

Ich fing an, den Typen anzuschreien:
"Du bist nicht Gott! Du bist nur kaputt im Kopf, und wir sind genauso kaputt wie du, wenn wir dir helfen! Verschwinde, auf das ich dich nie wieder sehen muss! Hau ab! Lass uns in Ruhe!"

Er sagte nichts. Er schaute nur auf dem Boden und ging weiter. Als ich ihn niedergeschlagen weggehen sah, fühlte ich mich schlecht. Aber ich hatte genug. Linda verkroch sich in ihren Mantel. Und gab, wie die gute Frau die sie war, keinen Kommentar von sich. Sie hatte mich lange nicht mehr so wütend gesehen.
"Mein Lieber...!"

Ich zitterte vor Wut, drehte mich nicht zu ihr um.
"Schatz..."

Sie berührte meinen Arm.
"WAAS?!"
"Willst du Cristian halten?!"

Ich drehte mich erstaunt um. Und plötzlich wurde mir klar, dass wir uns in der Zeit vor dem Unfall befanden. Kurz bevor wir ins Auto stiegen und an der nächsten Kreuzung ein Bus in uns reinfuhr. Bevor wir zugelassen haben, dass unser Sohn Cristian bei diesem Unfall ums Leben kam. Das alles passierte vor 25 Jahren, als wir jung und verantwortungslos waren. Lindas linke Hand war noch ganz, ich habe diesem Detail besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich packte sie an der Hand und schaute sie mit weit geöffneten Augen an um sicherzugehen, ob alles echt war. Ich nahm Cristian in meine Arme. Ich war immer noch geschockt und verwirrt. Ich umarmte ihn fest, emotional berührt und fühlte, wie all die unterdrückten Gefühle, Gedanken und Erinnerungen mich überfluteten und sie mich dieses Mal nicht mehr fertig machen. Dann sagte ich hastig, mit dem Blick auf der von mir gefürchteten Kreuzung:
"Linda, lass uns noch einen Spaziergang machen. Lass uns frische Luft holen."

Sie sah müde aus, ihr blondes Haar war vom Wind in alle Richtungen zerstreut, dennoch sagte sie nichts. Sie richtete ihren Schal und folgte mir dann. Cristian nagte an seinem Spielzeug, weil seine ersten Zähne herauskamen und sein Zahnfleisch schmerzte.

Dann suchte ich den Typen in meinem Blickfeld, um zu sehen, ob er noch da war. Er war immer noch da. Er sah uns aus der Ferne zu und winkte uns rüber.

Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, schrie er auf:
"Du schuldest mir ein Baby!"
"Wenn du jemanden findest, der zu mir passt, sende mir eine E-Mail!"

Wir sind seitdem in Kontakt, obwohl wir uns nicht mehr persönlich getroffen haben. Ich habe noch niemanden gefunden, der seine Bedürfnisse erfüllt. Heutzutage suchen Mädchen nach Liebe, Geld oder Sex. Er sagte, er habe weder Zeit für ersteres noch für letztes und könne auch kein Geld anbieten. Alles muss von Herzen kommen, und nicht aus persönlicher Gier.

Dann schlug ich ihm vor, dass er ein Kind adoptiert.

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Sus