23.02.2008
Wahrscheinlich ist er Homosexuell.

Wahrscheinlich lügt er andauernd.

Wahrscheinlich manipuliert er mich, nur um mich zu benutzen.

Warum?! Weil er anders ist als alle Männer die ich bisher getroffen habe. Es ist zärtlich, warmherzig und riecht gut. Seine Stimme klingt angenehm. Er ist das komplette Gegenteil aller Männer mit denen ich je zusammen gewesen war und sanfter als alle Frauen die ich kenne.

Also muss etwas bei ihm nicht stimmen.

Gibt es keine Schule für Männer, in der man ihnen beibringt wie sie sich zu verhalten haben? Sollte ich ihm eine Karte zeichnen?

"Wahrscheinlich bin ich nicht schwul. Und wenn ich es doch wäre würde das nichts zwischen uns ändern."

Was?! Du glaubst nur? Du weißt es selber nicht, oder wie? Ich will einen Mann der vor Wut in die Luft springt, wenn man ihm unterstellt, dass er Schwul sei. Einer der anfängt zu fluchen. Der sich davon angegriffen fühlt. Einer der mich sogar schlagen würde.

Das ist ein echter Mann!

"Wir haben uns nicht mit unseren Körpern getroffen", sagt er. "Sondern mit unserem Verstand."

Weißt du immer noch nicht was ein Mann tun sollte?
"Ich bin nur zum Teil Mann. Ich schätze meine weibliche Seite und ich lasse ihr Freiraum. Ich fühle mich in meiner Haut wohl so wie ich bin, eine Mischung von Mann und Frau."

Ich betrachte verwirrt die Menschen um uns herum. Ich greife fest seinen Arm.
Er erlaubt mir das.

Dâmboviţa tut weder fließen noch irgendetwas anderes. Es ist ein stillstehendes Gewässer. Der Verkehr fließt langsam. Das ganze verrückte Geschehen von vorher ist schon verschwunden. Ich bin eine drei viertel Stunde zu früh zu unserem Treffen erschienen, deshalb bat ich den Taxifahrer mir die Stadt zu zeigen. Als würde ich sie nicht schon kennen. Er wollte mir diesen Wunsch erfühlen, aber schon wenige Minuten später verfingen wir uns im Stau. Wir kamen nicht weiter als bis zu der ersten Kreuzung. Dann als wir gezwungen waren umzukehren ist beinahe schon mein ganzes Zeitpuffer aufgebraucht gewesen.
"Was ist das?", frage ich verzweifelt.
Er lächelt mich an.
"Eine Geschichte. Ein Traum. Eine fabelhafte Geschichte. Etwas Schönes und einfaches."

Der Mann den ich liebe, liebt wie eine Frau.

Ich stecke langsam meine Hand in seine Jackentasche, wo seine Hand auf mich wartet. Er wird mir nichts tun, weil dies gut zu einer streng erzogenen Dame aus dem Kloster passt.
"Lass uns spazieren gehen", schlage ich vor.

Bukarest blüht vor uns auf, mit all seiner Graustufen und Schatten. Ich habe Bukarest noch nie so geliebt wie in diesem Moment. Obwohl ich ihn nicht sehen kann, liebe ich ihn. Ich sehe ihn nicht, weil diese eine Berührung, dieses Händchenhalten mein Wahrnehmungsvermögen eingrenzt. Ich liebe jedes einzelnen Loch in den Straßen, jeden zerbrochenen Bordstein. Mit seinem verschimmelten Antlitz. Sieht er das gleiche wie ich? Kann er diese statt lieben, so wie ich sie liebe? Er lebt weit weg in einer anderen Welt. Bleibt ein paar Tage, und dann geht er weg. Das ist eine Stadt in der du ohne einen Grund, jeder Zeit sterben kannst. Das ist eine Stadt in der du ohne Motiv umkommen kannst. Das ist eine Stadt die kein Sinn hat. Wo alles Bedeutungsvolle seine Bedeutung verliert und alles was wichtig ist wird plötzlich unwichtig. Wo alle Werte verdreht sind. Wo alle Menschen ersticken.

Eine Stadt in der niemand lacht.

Wie nähern uns langsam der Universität. Wir sind vorbeigegangen am Antiquitätenladen eines Freunds. Ich weiß nichts mehr über ihn. Ich bin mir nicht mehr sicher ob dieser Laden noch existiert, es wird dunkel.

Wir nähern uns der Haltestelle.
"Was machst du jetzt?", frägt er mich.
"Ich warte darauf, dass du es mir sagt was ich tun soll", sage ich.
"Entscheide du für uns", sagt er.
"Nein, du musst entscheiden!", sage ich.

Wir können uns nicht einigen. Oder wir haben uns schon entschieden, wissen aber nicht wie wir das zeigen.
"Lass uns noch eine Station zu Fuß gehen", schlägt er vor. "Wir sehen dort weiter."
Wir gehen auf den Straßen, wir überqueren bei Rot. Ich zögere jedes Mal. Aber er zieht mich hinter sich her. Mir missfällt die Idee bei Rot die Ampel zu überqueren. Ich will nur bei Grün, auf dem Fußgängerweg die Straße überqueren.
Er hält an, umarmt mich und schaut mir in die Augen.
Ich weiß was das bedeutet und ich warte.
Dann küsst er mich.
Er zittert.
"Dir ist kalt," sage ich dumm.
Er widerspricht mir nicht.
"Lass uns noch eine Station weiter gehen", sagt er. "Vielleicht würden wir dort wissen, was wir tun könnten. Wir müssen uns nicht jetzt entscheiden."
Wir gehen weiter.

Wir halten uns bei der Hand zu einem unklaren Ziel.
Er weiß nicht was er mit mir machen soll. Er ist wegen mir hier, doch weiß er nicht mehr genau, was er tun will.

"Ich glaube eine Welt, in der es zufällige glückliche Begegnungen gibt, ist eine gute Welt. Ich glaube das jedes Mal, wenn zwei Menschen sich küssen die Welt ein kleines bisschen besser wird. Ich glaube das die schönen Gefühle die Sonne zum strahlen bringen, mit aller ihre wärme. Ich glaube, dass in der Gegenwart zweier sich in die Augen schauender Menschen, es weniger Böses gibt. Ich glaube, dass zwei sich berührenden Menschen die Welt verändern."
Und ich glaube ihm jedes einzelne Wort.
"Weißt du was du willst?", frägt er mich. "Ich sehe, dass in deinem Kopf verschiedenste Gedanken irren."
"Ja, jedoch bin ich nicht sonderlich gut darin zu sprechen, ich schreibe meine Gedanken lieber auf."
"Dann schreib!"
Ich setze mich auf dem Bordstein und schreibe mit der zitternden Hand drei Worte auf dem Papier. Wir schauen uns erstaunt in die Augen.
Wir ziehen weiter. Wir halten Händchen und schlendern durch die Straßen. Es gibt nur uns zwei, zwei verspätete Menschen.
Wir nähern uns an.
Er sagt:
"Zu berühren ist für mich genauso stark wie liebe machen. Weil ich das Gefühl verspüre dich mit meinem ganzen Wessen zu lieben. Ich glaube das wir liebe machen würden, wenn die Spitze meines Fingers auf deine Konturen langsam gleiten würden, wenn ich meine Handfläche auf dein Gesicht läge oder wenn ich deine Haare bei Seite schöbe und deinen Hals küsste."

Varianta în română se poate citi aici.

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