04.11.2012
Meine Mutter dachte, dass ein Kind immer von seinen eigenen Erfahrungen lernen sollte. Sie trug mich in ihrem Bauch in den Wald hinein, fand ein Erdloch und brachte mich auf der Stelle zur Welt. Sie schnitt die Nabelschnur durch und sagte zu mir: "Ab jetzt bist du alleine. Alles, was ich für dich machen konnte, habe ich getan. Neun Monate lang habe ich an dir gearbeitet, dass du zwei Hände, zwei Füße, einen Kopf und ein Herz besitzt. Deine Zukunft hängt nun von dir ab. Nur etwas möchte ich dir mit auf den Weg geben: Nasenbohren ist nicht schön, und wenn du das Besteck auf dem Tisch ordnen willst, fängst du am Rand des Tellers an. Über den Teller kommen Gäbelchen und Löffelchen für das Dessert."

Als sie fertig war, drehte sie sich um und ging.

Sie hinterließ keine Adresse, weil sie dachte, falls ich zurückkommen wolle, würde ich den Weg alleine finden. Es hinge nur von mir ab, ob ich unbedingt nach Hause wolle.

Ich werde euch nicht erzählen, wie es für ein Neugeborenes war im Wald alleine zu sein. Von der angenehmen und nassen Dunkelheit, wurde ich in einen Sturm von Wahrnehmungen, Schatten und Geräuschen versetzt. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht mal aufstehen um den Weg aus dem Wald zu suchen und mir ein Zimmer in einem Hotel zu mieten, oder zur Polizei zu gehen konnte. Ich konnte nur dasitzen und vor mich hin schreien. Anschließend rief ich nach dieser Hure, dass sie zurückkommen solle. Ich wollte in meiner Nase bohren, aber wenn jemand das will, muss er wissen, was eine Nase ist. Die Worte meiner Mutter hatten keinen Sinn. Irgendwie wusste ich, dass mein einziger Ausweg war zu schreien, also habe ich geschrien, bis jemand kam.

Plötzlich spürte ich etwas Nasses und Weiches auf meinem Körper und kurz danach entdeckte ich vor meinen Augen ein pelzumrahmtes Gesicht.

In den folgenden Jahren, musste ich mit vier Geschwistern um die Milch und die Liebe dieser Kreatur kämpfen. Lernte zu jagen, Tiere zu zerfleischen, und was man machen muss um irgendwann ein Alfa- Tier zu werden. Bald darauf hat sich zwischen uns eine typische Beziehung Mutter-Tochter entwickelt. Und obwohl sie dachte, dass Papa nur für mich bei ihr blieb, hat sie mir alles beigebracht was ich wissen musste, wie mich gegen gefährliche Begegnungen zu verteidigen kann, was mein Platz im Rudel war und wie ich es behalten kann. Aber auch wie ich die Fährte anderer Tiere aufnehmen konnte, und was ich beachten musste, wenn ich den Urin von fremden Wölfen roch.

Aber ich war das einzige Jungtier, das bei ihnen blieb. Generationen von jungen Wölfen, die von zu Hause weg gingen und ihr eigenes Leben anfingen, wurden von mir beobachtet. Eines Tages, brachte mich die Wölfin an den Rand des Waldes und zeigte mir einen Fluss ohne Wasser, stillstehend und grau, und sagte mir: "Ab jetzt bist du allein. Neun Jahre lang habe ich dich gelehrt deine Füße, deine Hände, deinen Kopf und dein Herz zu benutzten. Deine Zukunft hängt nur von dir ab. Ein Letztes habe ich dir noch zu sagen: Wohin du auch gehst, du wirst immer gejagt werden. Und ich erinnere dich daran, dass du nicht bellen darfst, sondern nur im Schatten der Nacht heulen sollst. "

Als sie fertig war, drehte sie sich um und verließ mich.

Ich ging den versteinerten Fluss entlang, bis ich einen merkwürdigen Ort erreichte. Dort waren viele übereinander gestapelte Höhlen und ich war überrascht von den vielen tausenden Sternen. Ich war noch nie so nah an den Sternen wie in jenem Moment. Und wie ich so durch diese Stadt ging, traf ich auf eine merkwürdige Kreatur. Sie sah nicht so aus wie wir Wölfe und hatte auch nicht unseren Mut. Das Wesen blieb stehen, sah mich still an und zeigte keine Neigung um sein Revier zu verteidigen. Es schien eher erschrocken zu sein. Ich kam ihm näher und knurrte es an. Doch da erfüllte mich ein eigenartiger Gedanke. Ich wusste dass ich mich irgendwann mit ihm paaren und Babys gebären würde, denen ich das Jagen beibringen konnte.

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